Ursachen und Hinweise zur Propylaxe Von Dr. med. vet. Sandra Lechleiter, Stuttgart
Zum Thema „Saisonbedingte Erkrankungen“ gehört in den ersten Monaten des Jahres das gefürchtete Energiemangelsyndrom bei Koi,
viele Koi ihr Leben kostet. Häufig werden die Symptome der sogenannten
„Frühjahrsvirämie“ zugesprochen, einer Viruserkrankung der
Karpfenfische, die jedoch nur extrem selten bei Koi auftritt. Oder es
wird von der „Bauchwassersucht“ gesprochen, einer Beschreibung eines
äußerlich erkennbaren Symptoms, dem aufgetriebenen Bauch, der eine
Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle vermuten läßt und daher auch
häufig mit einer Schuppensträube einhergeht. Daneben können auch
Wasseransammlungen in der Haut erkennbar sein oder es treten typische
Drehbewegungen auf, wie bei Fischen im Schockzustand, häufig auch
Liegen in Seitenlage. Das Energiemangelsyndrom bei Karpfen ist von
SCHRECKENBACH, SPANGENBERG und WEDEKIND mit Mitarbeitern in vielen
Publikationen ab 1984 ausführlich erforscht und dargestellt worden,
meine Ausführungen hier fassen die wichtigsten Ergebnisse dieser
Wissenschaftler zusammen.
Wenn Koi im Winter oder Frühling plötzlich anfangen zu taumeln, sich zu
drehen beginnen und apathisch am Boden liegen, während andere Koi im
Teich ganz normales Verhalten zeigen, wenn einzelne Fische plötzlich
kraftlos nach oben getrieben werden und bis auf schwache Bewegungen der
Kiemendeckel in Seitenlage am Beckenrand liegen, dann ist es durchaus
wahrscheinlich, daß sie infolge eines Energiemangels erkrankt sind.
Problemkreis Nr. 1: Temperaturabsenkungen
Kritische Verhältnisse liegen zum einen dann
vor, wenn an warmes Wasser angepaßte Koi (zum Beispiel aus der
Innenhälterung eines Koihändlers) zu schnell abgekühlt werden, also der
Winter nach dem Kauf der Koi zu schnell kommt. Bei
Temperaturabsenkungen unter 10°C können Schäden erst nach bis zu 2-3
Wochen bemerkt werden, sie bestehen häufig in Wassereinlagerungen in
der Haut oder die Bauchhöhle („Bauchwassersucht“) oder plötzlichen
„unerklärbaren“ Todesfällen.
Problemkreis Nr. 2: Temperaturerhöhungen
Zwischen 8 und 12 °C zeigen Koi bereits sehr aktives Verhalten. Sie können sich
auf größere Temperaturerhöhungen auch relativ leicht einstellen,
allerdings gilt dies nur für Koi, die (noch) über ausreichende
Energiereserven verfügen und für Teiche, in denen ausreichend
Sauerstoff gelöst ist. Wenn durch Hungern, Sauerstoffmangel oder
ständige Schwimmaktivität über den Winter die angelegten Fettreserven
aufgebraucht sind, kann eine schnelle Erwärmung oder der erhöhte
Energiebedarf durch die Laichbildung bei den Weibchen zu Energiemangel
führen, der Stoffwechsel entgleist. Daher sind bei größeren Koi meist
Weibchen betroffen, die bereits im Sommer und Herbst vergleichsweise
schwache Fresser waren oder in Folge von Krankheiten nicht ausreichend
gefüttert werden konnten. Gefährdet sind auch Koi, die erst spät im
Jahr neu in das Becken kamen oder infolge eines Umbaus im Sommer oder
Herbst nur schwach gefüttert wurden. In der Erwärmungsphase sind die
typischen Symptome des Energiemangelsyndroms Drehbewegungen, Seitenlage
und ebenfalls Wassereinlagerungen in die Haut und Bauchhöhle.
Problemkreis Nr. 3: Fehler bei der Koiernährung
Ganz grundsätzlich werden drei unterschiedliche Konditionstypen unterschieden:
Der verfettete Koi mit massiven Fettreserven zwischen den Darmschlingen und
starken Fetteinlagerungen in einer hellgelben Leber. Dann der optimal
ernährte Koi mit einer typisch ausgedehnten, leberbraunen Leber und
Resten von Fettdepots. Der unterernährte Koi weist eine deutlich
verkleinerte Lebermasse auf, besitzt keine Fettdepots mehr und kann
Wassereinlagerungen im Bereich des Darmes oder der Bauchhöhle zeigen.
Diese Koi werden neben der Problematik des Energiemangels auch häufig
Opfer von Viren oder Bakterien, da sie praktisch keinerlei Abwehrkräfte
mehr besitzen.
Verfettung ist in der Regel Folge von Überfütterung mit kohlehydrathaltigen
Nahrungsmitteln (Reis, Mais, Brot, Getreide), von Futtermitteln mit
ungeeigneter Eiweiß- und Fettzusammensetzung und/oder chronischem
Sauerstoffmangel mit unzureichender Verdauung der Nahrung, was zu
Kiemenbelastungen und Fettaufbau führt. Da diese Fettreserven für den
Koi nur unter starkem Energieeinsatz überhaupt noch nutzbar sind, kann
selbst ein fetter Koi unter Energiemangel sterben.
Abmagerung und (zu früher) Verbrauch der Fettreserven hat zum einen mit der
Qualität des Futters im Sommer und Herbst zu tun (darüber wurde hier
bereits ausführlich berichtet), natürlich auch mit der Futtermenge
selbst, aber ganz häufig sind Koi, die Energiemangel im Frühjahr
zeigen, durch ihren Energieaufwand über den Winter „verschlissen“.
Daher sind Koiverluste durch Energiemangel ganz typisch für Koiteiche,
-
· die sehr tief sind (über 2,50 Meter) und keinerlei Ruhezonen haben
-
· in denen bereits seit vielen Wochen nicht mehr gefüttert wurde
-
· in denen ausschließlich fischölarmes Koifutter gefüttert wird
-
· in denen über den Winter am Grund Sauerstoffmangel herrschte
-
· die kaum einmal kälter als 8°C waren und starke Zirkulation, bzw. Strömung aufweisen (Koi schwimmen die ganze Zeit)
-
· und/oder zirkulationsbedingt bei kalten Außentemperaturen deutlich kälter als
2°C werden (dann kostet schnelle Erwärmung auf 10 oder 12°C die
restlichen Reserven) -
· die bauartbedingt starke Temperaturschwankungen (5°C und mehr über 24
Stunden) aufweisen, zum Beispiel sehr flache, ungeheizte Teiche ohne
Abdeckung.
Was kann man tun?
Ist der Koi erst mal erkrankt, hängt sein Überleben davon ab, ob es
gelingt, mittels verträglicher Temperaturerhöhung (2°C am Tag sollten
nicht überschritten werden) seinen Stottwechsel zum Laufen zu bringen,
möglichst, bis er in der Lage ist, mit Fischöl angereicherte Nahrung zu
sich zu nehmen. Daneben kann ein fischkundiger Tierarzt sicher eine
unterstützende Einzeltiertherapie durchführen.
Von allergrößter Wichtigkeit ist jedoch die Prophylaxe in der warmen Saison. Hier sei erneut an die zentralen Punkte erinnert:
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· artgerechtes Koifutter enthält ganzjährig zu einem wesentlichen Teil hochwertiges
Fischeiweiß und Fischöl, nur zu einem geringeren Teil andere Eiweiße
oder Fette -
· der Energiehaushalt von Koi ist stark von der Sauerstoffmenge im Wasser
abhängig, da die Sauerstoffaufnahme in den Körper ein Prozeß ist, der
laufend Energie verbraucht. Die Messung der Sauerstoffwerte im Teich
und die Aufrechterhaltung von optimalen Werten auch bei hohen
Temperaturen ist für die Gesundheit der Koi von existentieller
Bedeutung. -
· Sinkendes Koifutter kann in tiefen Koiteichen den Fischen erheblichen Energieaufwand beim Auftauchen ersparen.
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· In einigen Gegenden Deutschlands kann eine Teichheizung für Koi überlebensnotwendig sein.
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· In Teiche ohne Heizmöglichkeit setzt man im September keine neuen Koi mehr ein
Autor: Sandra Lechleiter, mit freundlicher Genehmigung des KLAN, März 2003